cave

Galicia. Dear rain, please stop.

Das Lied „Let it rain“ wäre sicher niemals geschrieben worden, hätte Amanda Marshall in Santiago de Compostela gelebt. 24/7/365: Regen (und Wind). In der ganzen Zeit, und es war immerhin fast ein halbes Jahr, habe ich keinen Regenschirm kennen gelernt, der dem Stand halten konnte. Mein durchschnittlicher Verschleiß lag ungefähr bei zweien pro Woche. Immerhin gedeiht Galiziens Flora dadurch prächtig, das Gebiet ist unfassbar grün.

10 Erkenntnisse aus der Zeit im Norden am äußersten Zipfel Spaniens:

1. Es ist möglich, im spanischen Winter mehr zu frieren als im deutschen. Denn es gibt dort keine Heizungen (zumindest in Galizien nicht). Behelfen muss man sich mit kleinen Radiatoren, die mehr Strom fressen als dass sie genügend Wärme abgeben. Manchmal muss man eben Prioriäten setzen.

2. Ich weiß nun, warum Tortillas süchtig machen. Sie bestehen aus: Fett. Kartoffeln. Ei. Und dann noch ganz viel Fett. Und Fett. Aber für Bocadillos de Tortilla (Tortilla im Brötchen) würde ich mein Leben geben. Naja fast.

3. Pünktlichkeit ist eine Zier: FALSCH. Deutsche Tugenden wie Pünktlichkeit oder Zuverlässigkeit haben in Spanien deutlich geringeren Stellenwert, um nicht zu sagen gar keinen. Also am besten gleich abgewöhnen.

4. Es gibt Teile Spaniens, die sehr stark an Irland erinnern: Die Landschaft, der Wind, die Klippen, das Meer, der Regen. Toll.

5. In Galizien ist es möglich, auf einem Felsen zu sitzen und in die unendliche Weite des Atlantiks zu blicken  mit dem Gefühl, sich am Ende der Welt zu befinden. So wird dieser Platz von der Touri-Industrie auch beworben. Nämlich am Kap Finisterre.

6. Worauf bei der Auswahl einer guten Tapas-Bar zu achten ist: je mehr Servietten auf dem Boden liegen, desto besser die Bar (mehr Servietten bedeutet mehr Tapas-Konsum). Ich bin Fan spanischer Tapaskultur, zu jedem caña (c.a. 0,2 Liter Bier) werden die spanischen Köstlichkeiten umsonst gereicht. Wer also günstig essen möchte, muss einfach nur genügend Bier trinken…

7. Santiago de Compostela ist viel mehr als nur das berühmte Pilgerstädtchen: es gibt dort tausende (ok, vllt. auch nur hunderte) urige Cafés, Bars mit Livekonzerten und eine Altstadt, deren nächtlicher Charme seinesgleichen sucht.

8. Feiern in Santiago ist nichts für Früh-ins-Bett-Geher (und folglich: Frühaufsteher): vor zwei Uhr nachts befinden sich die Bars in einem wüstenähnlichen Zustand. Richtig los gehts oft erst im Morgengrauen.

9. Egal, wie viel Dreiwettertaft man auch benutzt: die Frisur wird immer vom Winde verweht sein…

10. Das Blatt kann sich wenden (wenn ich das Pech vor und bei der Anreise mit meinem darauffolgenden Leben in Spanien vergleiche):

Nachdem ich mir in der Nacht vor meiner Abreise einen Virus auf dem Rechner eingefangen und damit meine kompletten Dateien inkl. Bildern (nein, ich hatte damals keine externe Festplatte) für immer verloren waren und ich naiverweise so verrückt war, ein Auslandssemester mit Ryanair anzutreten und 120 Euro für das Übergepäck zahlen musste war eins klar: Es konnte nicht mehr schlimmer kommen. Wobei ich mir, nachdem der Taxifahrer chinesisch sprach (es war galizisch, ein spanischer Dialekt, den ich trotz erfolgreich absolvierter Sprachkurse absolut NICHT verstehen konnte) da nicht mehr so sicher war. Nachdem ich also sogar schon Schwierigkeiten hatte, mich im Taxi zu verständigen dachte ich nur: Wie soll ich hier ein halbes Jahr (über)leben, geschweige denn studieren, wenn mich keiner versteht und ich keinen verstehe?? Englisch war keine Option, da in Galizien kein (einheimischer) Mensch dieser Sprache mächtig ist. Aber dann, zwei Stunden nach Ankunft im Hostel wendete sich das Blatt. Eine quirlige Südspanierin fragte mich, ob ich in ihre neugegründete WG einziehen wollte. Klar wollte ich das. Man darf auch mal Glück haben. Der erste Eindruck täuschte nicht, wir sind noch heute befreundet. Mein Zimmer war zwar äußerst bescheiden (keine Fenster, sechs Quadratmeter) aber die Wohnung war denkbar groß und im Herzen Santiagos am Plaza de Galicia gelegen. Der Einzug war der Startschuss für eine tolle Zeit voller interessanter Bekanntschaften, Dauerregen, niemals enden wollenden Parties, deutlicher Verbesserung meiner Sprachkenntnisse und Erschließung kulinarischen Neulands.

Ich kann nur empfehlen, einen Schritt in dieses oftmals vergessene Eckchen Spaniens zu wagen. Sei es auf dem Jakobsweg.

Hasta luego, Santiago!

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